Unser Offenes Forum „Wasser“ im Capitol

Wasser ist der elementarste Bestandteil des Lebens auf unserem Planeten, und wir Menschen haben uns über seine Verwendung als Trinkwasser und zur Körperpflege hinaus weiter abhängig davon gemacht: Große Mengen an Wasser benötigt die Herstellung von Nahrungsmitteln sowie nahezu ausnahmslos aller Dinge unseres täglichen Lebens – ca. 8000 L für eine Jeans, ca. 150 L für eine Halbe Bier.

Wasser ist auch eine vorrangig kommunale Angelegenheit: Die Brunnen zur Förderung von Grundwasser, dessen Aufbereitung zu Trinkwasser und sein Transport zu den Verbrauchern, der Abtransport zum Klärwerk zur Aufbereitung vor dem Weg zurück in den Wasserkreislauf, liegt alles auf unserem Gemeindegebiet, und muss von der Kommune geplant, gebaut, finanziert und gewartet werden.

Wasser steht auch sehr stark im Kontext des globalen Klimawandels: Die Verdunstungsrate von Wasser verdoppelt sich in etwa alle 10°C, die Aufnahmekapazität von Wasser in der Atmosphäre ebenfalls, und es ist fraglich ob wir das schon sehr großzügig gesteckte 4°C Ziel einhalten werden.

Die zwangsläufige Folge ist eine zunehmende Häufung von Dürreperioden wie auch Starkregenereignissen, welche sich sowohl auf die Verfügbarkeit von bezahlbarem, sauberem Trinkwasser, als auch die Notwendigkeit eines funktionierenden Abwassersystems auswirken. Es ist Zeit, über diese Aspekte jetzt nachzudenken, um in den kommenden Jahren Maßnahmen für die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte zu ergreifen. Und genau das möchten wir mit unserem Offenen Forum anstoßen.

Wir konnten zur Behandlung dieses komplexen Themas am 5. Oktober 2023 im Capitol in Sulzbach-Rosenberg zwei Experten als Referenten gewinnen, welche zu Beginn dieses Abends mit ihren Impulsvorträgen das nötige Hintergrundwissen lieferten, um in der anschließenden Diskussion mit dem Publikum auch die thematische Brücke nach Sulzbach-Rosenberg zu schlagen.

Einige Fotos dieses Abends finden sich am Ende dieses Artikels.

Vortrag von Herrn Franz Herrler

Herr Herrler ist Vorsitzender der Kooperation „Trinkwasserschutz Oberpfälzer Jura“ und Werkleiter Zweckverband Laber-Naab. Herr Herrler erläuterte unter dem Titel „Das Wasser muss runter, nicht weg!“ wie Maßnahmen zur Grundwasserneubildung, Trinkwasser-Verfügbarkeit mit natürlichem Hochwasserschutz einhergehen (hier ein kurzes fachliches Vorab-Interview. Die Kernaussagen seines sehr interessanten Vortrags möchten wir hier in Kürze darstellen:

In Deutschland wie auch in Bayern, und ebenso in der Oberpfalz, ist in den letzten 10-20 Jahren die Grundwasserneubildung signifikant zurückgegangen. Gleichzeitig gibt die Schadstoffbelastung des Grundwassers Anlass zur Besorgnis. Als Folge müssen immer mehr Trinkwasserbrunnen stillgelegt, sowie das Trinkwasser von den in Betrieb befindlichen Brunnen entweder mit weniger belastetem Trinkwasser gemischt, oder aufwendig und kostspielig aufbereitet werden, um die gesetzlichen Trinkwasser-Grenzwerte für Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln sowie Nitrat einzuhalten.

Um diesen Trend entgegenzuwirken ist eine Reihe von Maßnahmen möglich und erforderlich:

  • Erfassung der ist-Situation über Schutzfunktionskarten und Analysen zur Flächennutzung (Land- und forstwirtschaftliche Flächen mit Aufgliederung in die genaue Nutzungsart, Siedlung-und Verkehrsflächen)
  • Förderung der Grundwasserneubildung über eine Entsiegelung von Flächen, um dem Niederschlagswasser die Möglichkeit zu geben, zu versickern anstatt im Kanalsystem zu landen
  • Verbesserung der Bodenqualität von landwirtschaftlich genutzten Flächen zur Erhöhung der Aufnahme- und Speicherfähigkeit von Niederschlagswasser über die Art der Bewirtschaftung sowie der Vermeidung von Erosion (= Verlust von Humus)
  • Umwandlung landwirtschaftlich intensiv genutzter Flächen in Dauergrünland, bestenfalls in Kombination mit PV-Freiflächenanlagen
  • Ausweisung von Wasserschutzgebieten in den Einzugsgebieten des für die Trinkwassergewinnung entnommenen Grundwassers
  • Verantwortungsvoller Umgang mit Schädlingsbekämpfungsmittel und Dünger
  • Anwendung des § 48 WHG: Wasserrechtlicher Besorgnisgrundsatz
  • Realisierung von Windschutzstreifen (Hecken und Baumreihen) in landwirtschaftlich genutzten Flächen zur Verringerung der Verdunstungsrate

Hier findet sich ein Überblick zu den grundlegenden Definitionen rund um den Wasserkreislauf, zum Thema Trinkwasser ebenfalls eine Zusammenstellung des wesentlichen Fakten.

Vortrag von Herrn Dipl.-Ing. Thomas Palaske

Das städtische Kanalsystem wird zu Recht als „größtes kommunales Anlagevermögen“ bezeichnet. Grob geschätzt ca. 160 Millionen € Investitionssumme, also ca. 40.000 € je Einwohner, entsprechen den ca. 160 km Kanallänge im Untergrund von Sulzbach-Rosenberg. Neben der Kernaufgabe, der ständigen Ableitung von Abwasser und Niederschlagswasser zum Klärwerk, bedeutet ein funktionierendes Kanalsystem auch Grundwasserschutz (Verhinderung des Versickerns von Schmutzwasser durch defekte Abwasserrohre bis ins Grundwasser) sowie Hochwasserschutz (rasche Ableitung von Niederschlagswasser bei Starkregenereignissen).

Herr Palaske vom Ingenieurbüro Dörschel (Inning), Sachverständiger für Kanalsanierung, gab uns in seinem Vortrag einen sehr spannenden Überblick darüber, mit welchen technischen Möglichkeiten sich das Kanalsystem inspizieren, kartieren, und instand halten lässt, und welche gesetzlichen Pflichten der Kommune hierbei obliegen. Die wesentlichen Aspekte des Vortrags von Herrn Palaske in Kürze:

  • Die Ziele der Kanalsanierung sind der Schutz der Gesundheit (Schutz des Grundwassers), Werterhalt und Gebührenstabilität
  • Typische Altersverteilung der Abwasserrohre eines kommunalen Kanalnetzes: Je etwa ein Drittel < 25 Jahre, 26 – 50 Jahre, über 50 Jahre
  • Alterung von Kanälen und Bauwerken führt – ohne Gegenmaßnahmen – ständig zur Verschlechterung des Zustandes
  • Mögliche Ursachen von Leitungsschäden sind vielfältig: Fehlerhafte Planung, mangelhafte Bauausführung, ungeeignetes Rohrmaterial und Rohrverbindungen, Alterung und Verschleiß, statische und dynamische Überlastung, unsachgemäße Hausanschlüsse, mangelhafter Betrieb und Überwachung, ungeeignetes Rohrreinigungsverfahren, mangelhafte Sanierung, Kreuzung mit anderen Leitungen, Bergsenkungen und Kriegseinwirkung
  • Gliederung des Ablaufs der Kanalsanierung in die vier aufeinanderfolgenden Maßnahmen Bestandsaufnahme, Zustandserfassung und -bewertung, Sanierungskonzept und Ausschreibung, Bauausführung
  • Bestandsaufahme: Digitale Flurkarte (Grundstücke, Bebauung, Straßen),  Kanalsystem (Mischwasser, Schmutzwasser, Regenwasser),  Schächte und Bauwerke,  Haltungen,  Anschlussleitungen (privat / öffentlich),  Straßenentwässerung,  Grundleitungen (privat)
  • Zustandserfassung (Kanalinspektion): Vollständige Befahrung,  Besonderheiten dokumentieren, Kommunikation bei Problemen,  Abgabe von einlesbaren Daten
  • Zustandsbewertung: Automatische Vorbewertung nach DWA M 149-3, Manuelle Nachbewertung durch Fachingenieur, Kodierung DWA / ISYBAU, Neu: KI – basierte Methoden
  • Zustandsbericht: Datengrundlage festhalten, Kanaldaten auswerten, Ergebnisse der Inspektion bewerten, Ergebnisse der Dichtheitsprüfung bewerten, Handlungsbedarf ableiten, Sanierungskonzept erarbeiten, Kostenschätzung und Variantenvergleiche, Präsentation vor Entscheidungsgremien
  • Sanierungsstrategie und -planung: Sanierungsalternativen (Reparatur, Renovierung, Erneuerung), Sanierungsobjekte (Haltungen, Schächte, Anschlussleitungen, Bauwerke), Sanierungsmaßnahmen (Techniken), Randbedingungen (Lage, Grundwasser, Fremdwasser, Tiefe, Geometrie),  Kostenschätzung und Vergleiche, Priorisierung, Bedarfsplanung – Entwurfsplanung –  Ausführungsplanung, Ausschreibung, Vergabe
  • Sanierungsalternativen: Reparatur (örtlich begrenzte Schäden), Renovierung (Streckenschäden), Erneuerung (gesamter Kanal schadhaft oder Erhöhung der hydraulischen Leistungsfähigkeit) unter der Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit (Kosten vs. gewonnene Nutzungsdauer)
  • Bauausführung: Verfahrensgruppen / Techniken, Technikgruppe Roboter, Technikgruppe Liner (Bemessung, Aushärtung, Statik, Kombination mit Anschluss-Sanierung), technische Grenzen und Sonderfälle, Risikobewertung bei der Bauausführung
  • Prüfung der Sanierung: Aufmaßblätter, Foto- / Filmdokumentation, digitales Nachweissystem, Materialprüfung, Dichtigkeitsprüfung

Unser Fazit

Sowohl auf dem Gebiet der Grundwasserneubildung und Trinkwasserverfügbarkeit, als auch bei der Entwässerung, sollten wir uns jetzt Gedanken machen, in den kommenden Jahren aktiv werden, um über Jahrzehnte hinweg zukunftssicher zu bleiben.

Wir bedanken uns noch einmal ganz herzlich bei beiden Referenten, die mit ihren sehr interessanten, spannenden und wichtigen Vorträgen diesen Abend erst möglich gemacht haben!