Ortstermin beim Biomasse-BHKW in Rosenberg

Unser offenes Forum „Klimagerechter Städtebau – Utopie oder machbar?“ vom 19. Oktober 2022 im Capitol in Sulzbach-Rosenberg behandelte auch die Frage, wie sich Wohngebiete bzw. Neubaugebiete energieautark versorgen lassen. Ziel hierbei ist die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern sowohl bei der Gebäudeheizung als auch der Versorgung mit elektrischer Energie.

Maßnahmen bzw. Technologien wie verbesserte Wärmedämmung und Wärmerückgewinnung beim Luftwechsel, Solarthermie und privaten Holz-/Pelletheizungen sind hierbei individuelle Lösungsansätze. In Sulzbach-Rosenberg haben wir eine weitere Möglichkeit, Energieautarkie im größeren Maßstab auf der Ebene von Wohn- und Neubaugebieten zu verwirklichen. Diese möchten wir hier vorstellen.

➤ Dieser Artikel als pdf (1.8 MB)

Worum es uns geht

CO2-neutrale Heizenergie, erzeugt in Sulzbach-Rosenberg aus regionalen Brennstoffen – was zu schön klingt um wahr zu sein realisiert das Biomasse-Blockheizkraftwerk (BHKW) der Firma Danpower an der Europastraße seit vielen Jahren. Wer noch kein Kunde des Unternehmens mit Sitz in Potsdam ist bekommt davon wenig mit außer einer weithin sichtbaren, weißen Säule kondensierenden Wasserdampfs auf dem ehemaligen Maxhütten-Gelände. Grund genug für unsere Delegation von SURO2030, diesem wichtigen Baustein der Energiewende auf kommunaler Ebene einen Besuch abzustatten, mit zwei Zielen:

Zum einen, sich die Technologie der Anlage von Kraftwerksleiter Dr.-Ing. Michael Jakuttis im Detail zeigen und erklären zu lassen, und zum anderen um zu erfahren, welches Potenzial für einen weiteren Ausbau der vom Kraftwerk gespeisten Fernwärmeversorgung in Sulzbach-Rosenberg besteht.

Heißes Wasser und Strom aus Hackschnitzeln

Die Wärmeerzeugung basiert ausschließlich auf der Verbrennung naturbelassener, der Wald- und Landschaftspflege entstammender Hackschnitzel aus einem Umkreis von 50 – 100 km. Die ca. 4000 m3 Lagerkapazität reichen für etwa eine Woche Dauerbetrieb.

Einige 1000 m3 Hackschnitzel (= ca. 1 Wochen-Bedarf) warten auf ihre Verfeuerung im BHKW Rosenberg

Durch diesen raschen Durchsatz wird ein Brennwertverlust durch mikrobiologische Zersetzung der noch feuchten Hackschnitzel und eine damit verbundene Freisetzung des Treibhausgases Methan auf ein Minimum reduziert.

Die Zwischenlagerung und Durchmischung der Hackschnitzel vor der Verfeuerung erlaubt eine Homogenisierung der unterschiedlich beschaffenen bzw. feuchten Anlieferungen, um für die Verbrennung konstante Bedingungen zu ermöglichen.

Ohne vorherige Trocknung werden die Hackschnitzel auf Gitterrosten mit einer Feuerungswärmeleistung von 22 MW zur Wasserdampferzeugung verbrannt.

Ein Blick in die Brennkammer: 22 MW Feuerungswärmeleistung entsprechen der Wärmeleistung von ca. 10.000 Heizlüftern auf höchster Stufe!

Mit primär 450°C Temperatur und einem Druck von knapp 50 bar speist der Wasserdampf eine zweistufige Turbine, die über einen Generator max. 4,5 MW Strom erzeugen kann welcher EEG-vergütet ins öffentliche Netz eingespeist wird.

Frischdampf speist mit 450°C und 50 bar die erste Stufe der Turbine

Die für Sulzbach-Rosenberg relevante Wärmeenergie wird nach der ersten Turbinenstufe aus dem Niederdruckdampf ausgekoppelt und über Wärmetauscher an die Hauptleitung des Fernwärmenetzes übergeben, in der es mit bis zu 100 Litern pro Sekunde zu allen angeschlossenen Abnehmern zirkuliert – hinaus mit 90°C, zurück mit ca. 60°C.

Technische Erläuterungen vor dem Turbinenraum, von links nach rechts: Kraftwerksleiter Dr.-Ing. Michael Jakuttis, Christian Koch, Markus Blaschek und Martin Kunert. Nicht im Bild: Roland Falk (Fotograf)

Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit läuft das Kraftwerk, von Wartungsabschnitten abgesehen, das ganze Jahr über rund um die Uhr auf Vollast: Wenn im Sommer der Wärmebedarf geringer ist als in der kalten Jahreszeit können die Energieflüsse so gesteuert werden, dass ein größerer Teil der umgesetzten Gesamtenergie zur Stromerzeugung dient. Die jährliche Wärmeliefermenge liegt bei ca. 26 GWh, dem durchschnittlichen Heizenergieverbrauch von ca. 3000 Wohnungen. Die Stromliefermenge mit ca. 33 GWh / Jahr entspricht in etwa dem Verbrauch aller ca. 8000 Haushalte in Sulzbach-Rosenberg.

Das „Herz“ der Sulzbach-Rosenberger Fernwärmeversorgung: Diese Pumpe versorgt alle angeschlossenen Einheiten mit 90°C heißem Wasser.

Geringe Wärmeverluste

Etwa 25 % der im Fernwärmenetz transportieren Wärmemenge gehen hauptsächlich durch schlechter isolierte Trassen früherer Baujahre verloren. Im Laufe der Zeit durch Korrosion verursachte Schäden am Fernwärmenetz werden erforderlichenfalls repariert, eine präventive Modernisierung von ganzen Leitungsabschnitten machbar wenn erforderlich.

Zurück zur Brennkammer: Die dort entstehende sog. Rostasche wird nach der kontinuierlichen Entnahme aus der Brennkammer zur Vermeidung von Staubbildung befeuchtet und kann nach entsprechender Schadstoffuntersuchung als Rohstoff für die Düngemittelproduktion verwendet werden.

Viel sauberer als private Holz-feuerungen

Die Flugasche wird durch einen Zyklonabscheider über Zentrifugalkräfte aus den Rauchgasen in Big-Packs abgeschieden. Als zweite Reinigungsstufe sorgen Schlauchfilter dafür, dass die strengen gesetzlichen Grenzwerte für die Feinstaubkonzentration der in die Atmosphäre entlassenen Abgase um einen Faktor von ca. 20 unterschritten werden, auch andere Schadstoffe wie Stickoxide liegen deutlich unter den Grenzwerten.

Durch diese beiden Rauchgas-Reinigungsstufen sind die Emissionen des Kraftwerks um ein Vielfaches sauberer als das, was bei der privaten Verfeuerung von naturbelassenem Holz aus dem Schornstein in die Atmosphäre gelangt.

Für die Zukunft gerüstet – Ausreichend Potenzial für Sulzbach-Rosenberg

Selbst ohne technische Aufrüstung ließe sich die eingespeiste Wärmemenge und damit die mögliche Anzahl angeschlossener Abnehmer aus mehreren Gründen nahezu verdoppeln: Zu einen sinkt der Heizbedarf von Gebäuden durch immer strengere Energie-Einsparverordnungen ständig, entsprechend steigt die Anzahl an Wohneinheiten welche sich mit einer bestimmten Wärmemenge versorgen lassen. Zum anderen lässt sich die vom Kraftwerk ins Fernwärmenetz eingespeiste Wärmemenge auf Kosten der Stromproduktion erhöhen.

Für eine Steigerung der erzeugten Wärmemenge durch höheren Hackschnitzeldurchsatz besteht kaum noch Potenzial, die Anlage arbeitet bereits nahe Vollast. Als letzte Option könnten technisch aufwändigere Lösungen wie Rauchgaskondensatoren, welche die Restenergie des Wasserdampfs nutzen welche bislang aus dem Kamin steigt, die erzeugte Wärmemenge weiter erhöhen, erfordern aber höhere Investitionen.

Optionen für eine höhere Energie-Autarkie Sulzbach-Rosenbergs

Die Bereitstellung einer deutlich höheren Wärmeleistung durch das Kraftwerk ist also möglich, muss jedoch auch zu den Abnehmern gelangen. Ein weiterer Ausbau des Fernwärmenetzes ist grundsätzlich auch im großen Maßstab möglich, wobei hier die limitierenden Faktoren einerseits in der Entfernung vom Kraftwerk, andererseits in lokalen Erschwernissen wie z. b. der Durchführung unter einer Bahnlinie bestehen.

Wo hierbei Grenzen aufkommen kann eine ortsnahe Errichtung kleiner Biomasse-Blockheizkraftwerke die wirtschaftlichere Option sein, wie sie Danpower bundesweit bereits zu Hunderten für z. B. größere Gewerbeeinheiten, Ortsteile oder Neubaugebiete betreibt. Neben Hackschnitzeln könnte dabei auch Bio-Methan aus Biogas-Anlagen als Primärenergieträger für die Speisung dieser Nahwärme-Netze dienen.

Sollte es, wie es in naher Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann, einmal zu einem längeren überregionalen Stromausfall von mehreren Tagen oder länger kommen, kann das Kraftwerk durch eine eigene Diesel-betriebene Notstromversorgung am Laufen gehalten werden und zumindest Abnehmer wie Schulen mit Heizwärme versorgen, welche über eine eigene Notstromversorgung ihren Heizkreislauf in Betrieb halten können.

Viel gelernt und viele Impulse gewonnen: Unsere „Delegation“, von links nach rechts: Markus Blaschek, Kraftwerksleiter Dr.-Ing. Michael Jakuttis, Christian Koch und Roland Falk. Nicht im Bild Martin Kunert (Fotograf). Die blaue Konstruktion links im Hintergrund befördert die befeuchtete Rostasche in den Container.