Die schwere Geburt einer autofreien Innenstadt

Unsere Idee

In den nahenden Sommerferien steht die Sulzbach-Rosenberger Innenstadt unter einem besonderen Stern: Auf der einen Seite Gastronomen welche seit über einem Jahr finanziell unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden und auch geöffnet mit durch Abstandsregeln eingeschränkter Anzahl an Sitzplätzen Mühe haben, schwarze Zahlen zu schreiben. Auf der anderen Seite Bürgerinnen und Bürger, deren erhoffte Urlaubsziele derzeit nacheinander zu Risikogebieten werden, und die deshalb die lauen Sommerabende nicht in Strandcafés in Portugal, Spanien, Frankreich oder Griechenland verbringen werden, sondern in gastronomischen Einrichtungen unserer ebenfalls hübschen Altstadt.

Die für die Gäste ohne den Lärm und Gestank unmittelbar an den Sitzplätzen vorbeifahrender Autos noch wesentlich einladender wäre. Was es den Wirten wiederum erlauben würde, die Freisitzflächen zu erweitern um trotz Abstandsregeln rentable Umsätze erwirtschaften zu können.

Aus dieser Vision heraus entstand die Idee, als Testlauf an fünf Wochenenden in den Sommerferien das Experiment zu wagen, die Innenstadt in der Zeit von Samstag 13 Uhr bis Sonntag 22 Uhr (also außerhalb der Öffnungszeiten fast aller innenstädtischen Geschäfte) autofrei zu machen und als kleinen Ersatz für das ausgefallene Altstadtfest, Annabergfest und die Woiz-Kirwa wenigstens ein bisschen „wie feiern dahoim“-Stimmung erlebbar zu machen: Eine Cocktail-Bar hier, ein Bierstand dort, im Freien probende Musiker, auch unter Corona bleibt mit etwas Fantasie einiges möglich. Keinesfalls als „immerwährendes Altstadtfest“, auch mit belebter Gastronomie ist es unser Ziel, Anwohnern und Besuchern durch fehlenden Verkehrslärm mehr Ruhe zu gönnen.

Testlauf bedeutet, die damit gesammelten Erfahrungen dahin gehend zu bewerten, mit welchem Konzept auch in Zukunft weniger Verkehr die Innenstadt lebenswerter und damit belebter machen kann. 

Unser Antrag

Gesagt, getan – zusammen mit CSU und Bündnis 90 / Die Grünen stellten wir in der Stadtratssitzung am 22. Juni 2021 den mehrheitsfähigen Antrag, die Innenstadt zeitlich begrenzt für den Verkehr zu sperren.

Dass dieser mehrheitsfähige Antrag von unserem Bürgermeister vertagt, und vor einer weiteren Behandlung desselbigen die Möglichkeit der Stellungnahme für Bürgerinnen und Bürger geschaffen wurde, kann man in Anbetracht der für die Vorbereitung autofreier Wochenenden drängenden Zeit mit gemischten Gefühlen betrachten. Absolut notwendig für eine freie Meinungsbildung zur Stellungnahme wäre jedoch eine neutrale Berichterstattung in der Zeitung gewesen.

Die Reaktionen

Der Artikel „Sulzbach-Rosenberger Altstadt soll für Verkehr gesperrt werden“ vom 30.06. hat sich jedoch von der Überschrift, vom Aufbau und den so gut im Text versteckten wesentlichen Punkten (autofrei nur an wenigen Wochenenden außerhalb der Ladenöffnungszeiten) dass auch aufmerksame Leser den Kern des Antrags missverstanden haben, scheinbar alle Mühe gegeben, den Eindruck einer dauerhaften Verkehrssperrung zu vermitteln. 

Entsprechend negativ fiel die öffentliche Reaktion aus. Auch wenn wir in zahlreichen Einzelgesprächen erfolgreich darüber aufklärten, dass auch künftig Großeinkäufe nicht zu Fuß kilometerweit nach Hause getragen werden müssen – der Wirkung der öffentlichen Berichterstattung konnten wir in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nicht genug entgegen setzen.

Unsere Meinung

Das Argument, dass Sulzbach mit seiner topografischen Lage – sprich, einer Innenstadt auf einer Anhöhe – ohne Auto einen verkehrstechnischen Problemfall darstellt, lassen wir so nicht gelten: Der Großparkplatz an der Bayreuther Straße sowie eine Tiefgarage mit über 200 Stellplätzen befinden sich bereits „oben“, von wo aus es nur noch wenige 100 Meter flach zu den Geschäften sind – eine Situation, wie sie z. B. in Amberg und nahezu allen anderen Städten mit belebter Fußgängerzone als Selbstverständlichkeit vorliegt.

Noch deutlicher wird das ISEK (Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept), zu dem der Sulzbach-Rosenberger Stadtrat in 2015 einstimmig die Umsetzung des daraus hervorgehenden Maßnahmenplans beschlossen hat: „ […] PKWs in der Altstadt überpräsent […]“, „Parkverbote werden regelmäßig überschritten“, „Einkaufsfahrten werden mit dem PKW von Laden zu Laden durchgeführt, auch wenn diese nah beieinander liegen. Dieser Zustand schmälert das Stadterleben insbesondere für die Bewohner und Gäste, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind.

Die in der öffentlichen Beichterstattung aufgeführten rechtlichen Gründe gegen eine temporäre Verkehrssperrung erscheinen bei genauer Betrachtung keineswegs unüberwindlich. Wäre die Stadt bzw. das Ordnungsamt hierzu rechtzeitig in den Diskurs mit dem Landratsamt gegangen, hätte, wie sich mittlerweile sich Sachlage darstellt, wohl eine Lösung gefunden werden können.

Besonders traurig fanden wir die unerwartet starke Ablehnung einiger derer, denen mit einer solchen Aktion die Möglichkeit gegeben worden wäre, das Beste aus der Corona-Situation zu machen – den Gastronomen selbst. Der Begriff Unternehmer kommt von „unternehmen“, also etwas wagen, und das Ergebnis im Anschluss für weitere Schritte zu bewerten.

Ein Blick in die Zukunft

Es wäre schön wenn, nachdem sich die Wogen etwas geglättet haben, ein Dialog entsteht. Zwischen denen, bei welchen die Bedenken noch überwiegen und denen, die offen für neue Ideen sind. Wer weiß, wie die Sterne dafür in 2022 stehen?

Christian Koch, 28. Juli 2021

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