Vom Stahlwerk zur Vielfalt

Exkursion der Arbeitsgruppe Wirtschaft, Tourismus und Gastronomie von SURO2030 „Auf AEG“ in Nürnberg

Auf Einladung von Bertram Schultze, dem Geschäftsführer und Projektentwickler der MIB Coulored Fields GmbH, besuchte eine Delegation von SURO2030 das einstige Werksgelände der AEG in Nürnberg, auf dem nach dem Aus der AEG im März 2007 eine Industriebrache entstand. Ziel der Zusammenkunft war für die Gruppe sich Impulse für die eigene Arbeit zu holen.

Eingangs erklärte Schultze die Struktur des Geländes und die Entstehung eines nachhaltigen Umfeldes über die seit 2007 verlaufene Erfolgsgeschichte.

In der Diskussion beim Rundgang durch das Areal ging er auf die Projizierung der Erkenntnisse auf andere Projekte ein. Auf die Frage von Martin Kunert zu einer strategisch passenden Herangehensweise an ein solches Projekt antwortet der Experte, dass aus seiner Sicht anfangs kooperative Gutachterverfahren städtebaulichen Wettbewerben vorzuziehen seien, um sich eine höchstmögliche Flexibilität bei der Entwicklung beizubehalten. Leuchtturmprojekte sind wichtig und hilfreich, um andere Unternehmungen anzuziehen. Auf einen hohen Mix aus Industrie, Handwerk, Forschung, Kultur, Freizeit und wenn möglich Wohnraum ist zu achten. Dadurch kann eine „nine to five“ Kultur verhindert werden und ein Urbanisierungseffekt eintreten, also ein Gewinn für den Stadtteil und die Stadt. 

Für zukunftsvisionäre Projekte muss eine weitestgehend autofreie und emissionsarme Struktur geschaffen werden, ganz im Sinne des dänischen Stadtplaners Jan Gehl zur Optimierung der Lebensqualität des Menschen und im Besonderen der Fußgänger, Radfahrer, Senioren und Familien. „Warum nicht einen Öko-Stadtteil als Vorbild für andere entwickeln?“, stellt Helmut Thomas eine Vision in den Raum.

Paul Wolf wollte wissen, wie man möglichen Störfaktoren entgegenwirken könne.

Es braucht ein Hauptkonzept mit soliden Eckpfeilern, an welchem sich über die Zeit andere Ideen, auch bei etwaigen Störungen, verankern können. Darüber hinaus ist der noch existierende Bestand zu schützen, der einer Revitalisierung einen eigenen Charakter verleiht. 

Auch „Auf AEG“ ist nicht alles sofort parat gewesen. Nach dem Ende der Produktion 2007 konnte die MIB das Gesamtareal erwerben und führt seitdem die Revitalisierung der ehemaligen Industrieanlage zu einem lebendigen urbanen Quartier durch. Als erster Hauptakteur platzierte der vorherige Besitzer Electrolux sein Hauptquartier im sanierten Bau an der Fürther Straße. Dazu gesellen sich inzwischen IT-Unternehmen, die Siemens AG mit einem Testfeld für Fabrikautomation, der TÜV Süd mit einem Seminarzentrum und vielerlei Büros und Kanzleien in den sanierten Gebäuden. Jüngster Mieter ist der Energie Campus Nürnberg, eine Kompetenzballung aus Universität, Fachhochschule, Fraunhofer-Institut und dem Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung. 

Bei einem Espresso im „Cafe Pforte“, einem Start-Up der ersten Stunde, kontert der Vermieter auf die Frage von Ralf Volkert, ob sich der Betreiber denn die Miete leisten könne, dass sowohl der Eigentümer als auch der Pächter von neuen Ideen profitieren. Dass ein kleines Tageskaffee nicht die Mieten erwirtschaftet, die andere Einheiten bezahlen können, ist dem Entwickler klar. Doch bietet das Cafe in den ehemaligen Räumlichkeiten des AEG Werksschutzes einen Treffpunkt für die am Campus beschäftigten Menschen und somit einen nicht monetären Gewinn für alle.

Dies gilt auch für das „Künstlerhaus“ der Galerie 76 im Nordareal an der Muggenhofer Straße, in dem seit 2008 etwa 70 Künstler ihre Kreativwerkstätten gefunden haben. 

Die Stadt Nürnberg profitiert ebenfalls von dieser Kunstschmiede. Schon zum zehnten Mal fand im September 2019 die Veranstaltung „Offen auf AEG“ statt. Dort öffnen viele Künstler ihre Ateliers und zeigen ihre Werke und Arbeitsweisen einem großen Publikum.

Leider muss die Künstler-Community demnächst einer neuen Nutzung auf dem Nordteil weichen. Hier soll ein neuer Stadtteil „Auf AEG Nord“ mit bis zu 1000 neuen Wohnungen grün und fußgängerfreundlich entstehen. Cornelia Jelinski verwies auf die zu Beginn von Schultze angedeutete Problematik einer möglichen Kontamination im Nordteil.

„Ja, auch die Nürnberger Stadtentwickler sind mit sanierungsbedürftigem Boden konfrontiert. Es gibt ein größeres Feld in der Umgebung der Pegnitzauen, das in den 1940er Jahren als Hausmülldeponie Verwendung fand. Die Sanierung dieser Problemzone wird einiges an Geld kosten“, gab Schultze als Antwort.

Zum Ende bedankte sich Roland Falk als Initiator des Besuchs bei Bertram Schultze für den sehr inspirierenden Einblick in das Projekt „Auf AEG“. Schultze stellte einen Gegenbesuch in Sulzbach-Rosenberg in Aussicht, bei dem er den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt gerne im Rahmen eines Vortragsabends die Visionen eines Projektentwicklers aufzeigen und sich einer Diskussion stellen würde.

Die Abordnung von SURO2030 stellte vielerlei Parallelen zur Sulzbach-Rosenberger Industriebrache fest und schöpft eine Reihe von Impulsen für ihre Vorstellungen zur Revitalisierung des Maxhüttenareals, wohl wissend, dass noch viele Themen, wie die Sanierung des Westteils, zu erledigen sind. Doch gerade deshalb muss die Politik zusammen mit dem Eigentümer schnellstens tätig werden, um nicht noch weitere Zeit verstreichen zu lassen. 

In Anlehnung an die Headline „From cotton to culture“ der alten Spinnerei Leipzig, einem weiteren erfolgreichen Projekt der MIB AG, könnte der Arbeitstitel des von SURO2030 geforderten ständigen Gremiums zur Entwicklung der Industriebrache Maxhütte „From steel works to diversity“ oder „Vom Stahlwerk zur Vielfalt“ lauten, so Falk abschließend. Denn Vielfalt ist das Ziel für das Entstehen eines zukunftsfähigen und nachhaltigen Quartiers auf dem ehemaligen Maxhüttengelände.